Yogyakarta gilt als kulturelles und künstlerisches Herz sowie Bildungszentrum von Java und ist eine der beliebtesten Destinationen auf dem indonesischen Banana-Pancake-Trail. Ich bin gespannt.Als ich kurz nach 7 Uhr morgens von Bromo zurück in meinem Guesthouse an komme, bin ich müde aber überglücklich. Ich habe meine Mission bereits am frühen Morgen erfüllt! Was nun? Ab ins Bett oder direkt weiterfahren? In Bromo-Dorf gibt es nichts zu tun und nach einer weiteren Wander-Aktivität ist mir nach diesem frühmorgendlichen Ausflug ganz bestimmt nicht. Außerdem bleibt mir nicht mehr viel Zeit auf Java. Also wieder ab in den Minibus. Geschlagene 13 Stunden lang dauert die rucklige Reise nach Yogykarta, in Zentral-Java. Die Fahrt von Bali aus am Vortag war mindestens genauso lang und ich komme als körperliches Wrack in Yogyakarta an. Meine Kräfte reichen gerade noch aus, um ein akzeptables Guesthouse in der Nähe der Sosrowijayan Road zu finden.
Es ist Sonntagvormittag und Yogyakarta ist wie ein Bienenstock – diese Stadt kann einen ganz schön auf viel Geduld abverlangen. Auf der Hauptstraße, der Malioboro Road komme ich keine fünf Meter weit, ohne von einem Händler oder Schlepper angequatscht zu werden.
Als Südostasien-Backpacker ist man einiges gewohnt, aber die hier in Yogyakarta sind so freundlich und beharrlich, dass man sich fürchterlich unhöflich vorkommt, wenn man einfach weitergeht. Hilfe! Kunst-Ausstellungen sind an diesem Sonntag der Renner. Heute ist der Tag, an dem man Künstlern live bei der Batik-Herstellung zusehen kann. Eine einmalige Chance, bei der Entstehung dieser original indonesischen Kunstform als Zeuge dabei zu sein! Und wenn man schon da ist, kann man natürlich auch ein Bild kaufen. Hmh, ist klar. Ich kreuze hinterm Rücken die Finger und gebe vor, ein totaler Kunstbanause zu sein. Sorry!
Zwischen den Hunderten von Rollern, Autos und Pferdekutschen hat sich in Yogyakarta vor allem das Becak, die gute alte Fahrrad-Ricksha etabliert. Man wird alle zwei Meter von einem Becak-Fahrer angequatscht. Becaks in allen Regenbogenfaben, wo man nur hinschaut. Es ist nicht nur das Fortbewegungsmittel Nummer eins hier, sondern dient den Fahrern auch als Chillout-Zone. Wenn sie gerade keine Lust auf’s Arbeiten haben, fahren sie in eine Seitenstraße und machen Siesta in ihrem Fahrzeug.
Malioboro Street ist voller günstiger Batik-Geschäfte und Fresstände. Endlich wieder ehrliches Streetfood! Es ist wirklich hervorragend. Was Qualität und Variation des Essens angeht, kann Yogyakarta es locker mit Thailand aufnehmen. Und alles ist so billig, dass man alles probieren will. Fruchtverkäufer, Kaffee-Stände, mobile Garküchen, wo man hinschaut. Frisch und köstlich. Unbekannte Kombinationen, die die Geschmackssinne überraschen. Für weniger als 80 Euro-Cent bekommt man einen Teller voller vegetarischer Köstlichkeiten. Reis, Gemüse, Curry, Tofu, Erdnusssauce, hausgemachtes Sambal… Hervorragenden starken Java-Kaffee mit süßer, dickflüssiger Kondensmilch gibt es für rund 16 Cent. Ein Stück Papaya oder Ananas – 8 Cent. Unfassbar!!!
Der Kraton, ein riesiger innerstädtischer Komplex mit dem Sultanspalast im Zentrum, schließt für die Öffentlichkeit leider schon am frühen Nachmittag. Also verbringe ich meinen Tag damit, ziellos durch die überfüllten Straßen und ruhiges Gassen von Yogyakarta zu flanieren.
Ich treffe auf Gruppen von Schulkindern, die schüchtern und kichernd an mir vorbeilaufen bis sich jemand traut, nach einem Foto zu fragen. Logo, ich bin in Java! Schülerinnen oder Studentinnen sprechen mich an und fragen, ob sie mich für Schule oder Uni interviewen dürfen (zwei sogar auf Deutsch – steht’s auf meiner Stirn?!?). Jungs, die am Straßenrand chillen, winken mich herbei, um mit ihnen einen Schluck von ihrem mystriösen (alkoholfreien) Gebräu zu teilen und ein bisschen Englisch zu üben. Andere lächeln, winken und grüßen einfach nur… „Hello miss!“… Nein, keiner von denen will irgendwas verkaufen! Klar, ich steche ein wenig heraus mit meiner weißen Haut und meiner westlichen Kleidung. Java ist halt nicht Bali. Man ist Touristen nicht so sehr gewohnt. Diese Freundlichkeit und Offenheit der Leute ist unglaublich und überwältigend. Ich laufe durch die Straßen und muss immer wieder lachen. Kann es vielleicht sein, dass sie mich mit einem gebleichten, javanischen Soap-Opera-Starlet verwechseln? So etwas habe ich noch nirgendwo erlebt, jedenfalls nicht in diesem Ausmaß.
Für die Besorgung eines Zugtickets nach Jakarta sollte man in Yogaykarta besonders viel Zeit einplanen. Hier gibt es keine Fahrkartenautomaten, die einem im Nullkommanix ein Ticket drucken und in Sekundenschnelle einen Sitz reservieren. Ich muss meinen Ticketantrag selber per Hand ausfüllen und warten bis meine Nummer aufgerufen wird. Zwei geschlagene Stunden verbringe ich am Bahnhof. Mir wird mal wieder klar, in was für einem Luxus wir eigentlich leben. Hab ich mich wirklich jemals über die Deutsche Bahn beschwert?
Abends schaue ich mal kurz bei einem traditionellen javanischen, an eine hinduistische Sage angelehnten Schatten-Handpuppenspiel vorbei. Es ist ein wenig seltsam. Musik und Gesang sind für meine Ohren sehr ungewohnt. Irgendwie kling alles schief, disharmonisch, willkürlich und oder Melodie. Wenn die Schattenpuppen kämpfen, haut der Schattenpuppensieler ständig mit dem Fuß gegen einen Gegenstand, was einen unangenehmen Knall verursacht.
Ich lasse mir vor dem Museumsmenschen erklären, dass das Spiel aus dem Mittelalter kommt und bis heute unverändert sei. Die Vorstellung ist nur ein Auszug, normalerweise dauert das komplette Spiel 7 Stunden und der Schattenpuppenspieler macht keine einzige Pause. Verrückt. Plötzlich winken mich die Sängerinnen zu sich herbei. Ich solle mich zu ihnen knien und das Ganze aus der Nähe und hinter den Kulissen ansehen. Solange sie mich nicht nötigen, auf Altjavanisch mitzuschmettern! Die Damen, die gerade nicht singen, fangen an, mich auszufragen. Meine dürftigen Indonesisch-Kenntnisse reichen zumindest aus, um Fragen nach Nationalität, Unterkunft und Reise in Indonesien zu beantworten. Ich bin mal wieder baff, wie interessiert und freundlich diese Leute in Yogyakarta sind. Ich habe mich noch nirgendwo so willkommen gefühlt.