Der entlegenste Ort Indochinas

Regen tropft an die beschlagene Fensterscheibe, es ist eng, es ruckelt und es ist unbequem. Mir ist kalt, obwohl ich dick eingepackt bin. Ich öffne das Fenster einen Spalt und sehe nur dunkelgrüne Baumwipfel und die einsame Straße, die durch ein Niemandsland führt.

Der Bus quält sich die engen, steilen Straßen hinauf. Die Fahrt durch die nordöstlichen Provinzen von Laos ist ein Erlebnis für sich. Ein Gefühl der totalen Isolation kommt auf. Ich war noch nie irgendwo so weit weg von allem. Dicker, feuchter Nebel umhüllt die dschungelbewachsenen Hügelkuppen. Ab und zu fahren wir an Dörfern vorbei, in denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Männer hacken Feuerholz, Frauen tragen ihre Babys umher, Kinder schauen neugierig in den Bus. Das Leben geht sehr gemächlich zu. It is „Lao-time“.

IMG_6226

Rund 20 Kilometer von unserem Ziel Sam Neua bricht der Bus zusammen. Wir sind umgeben von Dschungel, keine Zivilisation weit und breit.

Unser Fahrer klettert unter den Bus und beginnt, endlos daran herum zu schrauben.

IMG_6231

Die Einheimischen nehmen den Zwischenfall gelassen. Scheint auf der Strecke völlig normal zu sein! Ein Junge springt auf einen Roller und fährt per Anhalter weiter. Langsam wird es dunkel und noch immer keine Lösung in Sicht. Ich sehe uns schon die Nacht im Bus verbringen und entweder erfrieren oder von Schlangen und Tigern zur Frühstückszeit geweckt werden! Nach 2 ½ Stunden hat der Fahrer den Bus endlich zusammengeflickt und wir können weiter fahren.

Sam Neua ist ein kleines Städtchen nahe der vietnamesischen Grenze. Die Luft ist kühl und klar, die Straßen und Häuser sehen ein wenig grau aus, aber wir werden freundlich empfangen. Vor und nach der Schule quellen die Straßen über von schuluniformierten Kids, die uns neugierig angrinsen. Einige kichern und tuscheln wenn sie uns sehen (kann ich bei unserem Anblick ja ein bisschen verstehen). Andere Mutigere quatschen uns an und üben mit uns ein paar Sätze Englisch. Für die sind wir  echt eine Attraktion, denn es kommen nur wenige Touristen nach Sam Neua. Es ist ein nettes Städtchen, aber eben sehr sehr weitab vom Schuss.

Der interessantere Ort ist Vieng Xai, eine dreiviertelstündige Tuk Tuk-Fahrt von Sam Neua entfernt. Während des Secret War befand sich das Hauptquartier der kommunistischen Pathet Lao-Partei in diesem Dörfchen. Genauer gesagt, in einem weit verzweigten Höhlensystem am Stadtrand. Von hier aus wurde der Widerstand koordiniert. Wenn man durch die schwach beleuchteten Gänge läuft, ist es schwer vorstellbar, dass hier in den Höhlen von Vieng Xai vor weniger als 40 Jahren insgesamt über 23.000 Menschen ihren Alltag gelebt haben.

Die Flieger-Bomber kamen täglich kurz nach Sonnenaufgang. Zu dieser Zeit war bereits das Frühstück eingenommen, die Vorräte für den Rest des Tages vorbereitet und die Kinder gewaschen. Der Tag war die Zeit, wo die Bewohner sich in den Höhlen in Sicherheit gebracht haben. Die Vieng Xai Höhlen waren total gut vernetzt und durch eine effiziente Infrastruktur versorgt. Es gab Schulen, Krankenhäuser, Bäckereien, Polittbüros. Einmal wöchentlich wurden in der Entertainment-Höhle Filme gezeigt, es wurde geheiratet, Kinder wurden geboren, Verstorbene bestattet.

 Neun Jahre lang haben die Menschen in den Vieng Xai Höhlen gelebt. Alles, was verräterische Zeichen an die Flieger geben könnte, wurde Nachts durchgeführt. Nur im Dunkeln kamen die Bewohner aus ihren Höhlen heraus, zum Kochen und Felder bestellen. Nachts kamen auch die Trucks mit Lebensmitteln aus Vietnam und China. Erstaunlich, wie Menschen jahrelang so überleben können, ohne Sonnenlicht und in permanenter Gefahr.

Am nächsten Morgen machen wir uns auf in Richtung vietnamesische Grenze. In einem kleinen und sehr klapprigen Bus, als die einzigen falang.

Lao Lao, schön war’s!

Laos ist ein sehr armes aber bezauberndes Land. Sehr ruhig und seeeehr langsam. Perfekt zum entspannen. Man entschleunigt automatisch.

Sabai-dee!