El Nido heißt auf Spanisch „das Nest“. Das ist eine zutreffende Bezeichnung für das kleine verschlafene Fischerdorf im Norden von Palawan, der westlichsten großen philippinischen Insel.
Pensionen und Gasthäuser säumen die Vorderseite des Strandes, aber in den kleinen Gassen dahinter nimmt das Leben im Filipino-Style ungestört seinen Lauf. Frauen hocken vor ihren winzigen Geschäften, Männer klönen und rauchen (gibt es in diesem Land überhaupt einen männlichen Nichtraucher? Wahrscheinlich nicht!), Hunde und Katzen streunen herum, Motorroller und Tricycles ergänzen das Ganze um die typische Filipino-Geräuschkulisse.
Was hier besonders auffällt, ist die hohe Anzahl der Kinder. Die philippinische Bevölkerung muss ein extrem junges Durchschnittsalter haben. Kinder wo man hinschaut. Und sie sind so süß und hübsch, dass man sie stehlen möchte. Ihre Präsenz sorgt für eine fröhliche Stimmung, wie ich sie selten erlebt habe. Viele lernen im sehr jungen Alter Englisch und ein „Hi Ma’am, merry christmas!“ gehört zum ihrem Standard-Sprachrepertoire. Einfach goldig.
Es ist kurz vor Weihnachten, als ich in El Nido ankomme. Und die meisten Pensionen sind zu dieser Zeit ausgebucht und überteuert. Ich habe mich natürlich mal wieder um nichts gekümmert und muss ein Guesthouse nach dem anderen abklappern. Eine Hausherrin schlägt mir vor, es im Haus ihrer Schwiegermutter zu probieren und führt mich zu einem Haus. Nichts deutet darauf hin, dass hier Unterkünfte vermietet werden. Wir laufen durch den Hinterhof, ins Wohnzimmer. Esther ist eine ältere Dame, die vier hübsche und auch noch recht günstige Zimmer in ihrem Privathaus vermietet. Es ist ein echtes Homestay und ich fühle mich sofort wie zu Hause bei der guten Esther. Sie ist wie eine Oma zu mir.
El Nido ist zwar touristisch erschlossen, hat aber den Charme eines philippinischen Fischerdorfs behalten. Viel mehr bauen kann man hier ohnehin nicht, denn direkt hinter dem Dorf erheben sich hohe Kalksteinfelsen. Elektrizität gibt es nur wenige Stunden am Tag. In meinem Guesthouse heißt das: zwischen 21 und 23 Uhr. Bankautomat? Fehlanzeige! Diejenigen, die naiverweise nicht genug Bargeld dabei haben (schließt auch meine Wenigkeit ein), können sich – gegen eine saftige Gebühr – an der einzigen Tankstelle im Dorf Cash auszahlen lassen.
Viele Backpacker fahren nach El Nido zum Tauchen und Schnorcheln. Mich haben die zwei Tauchgänge hier nicht gerade umgehauen. Was wir gesehen haben war ok, aber nicht umwerfend. Es mag daran liegen, dass die Sicht zu dieser Jahreszeit nicht die beste sein soll. Es scheint hier nämlich gerade Winter zu sein. Die Filipino Divemaster versorgen mich auf dem Boot mit heißem Kaffee, Jacken und Taschenwärmern. Ich habe noch nie vor, während und nach dem Tauchen so gefroren!
Aber die Fahrt auf das Meer entschädigt ein wenig. Wir fahren durch die Bacuit Bay, eine Bucht, aus der riesige Kalksteinfelsen und Inseln herausragen. Ein wahrlich dramatisches Panorama. Hier muss ich definitiv noch mal hin.
Es ist Heiligabend. Was könnte sich für diesen Tag besser eignen als Inselhopping im Bacuit Archipel? Das hölzerne Auslegerboot nimmt neben mir noch zwei weitere Europäer und eine philippinische Großfamilie auf. Wir fahren zunächst zur Großen Lagune, die in einer Felsbucht liegt. Spätestens hier wird klar, dass ich nicht die einzige bin, die die Idee hatte, Heiligabend auf diese Weise zu verbringen. Halb El Nido scheint sich in dieser Lagune versammelt zu haben! Neben uns ankern Dutzend andere Boote und es kommen ständig neue hinzu.
Um zur Lagune zu gelangen muss man durch eine Öffnung im Felsen schwimmen. Zu schade, dass ich keine wasserfeste Kamera dabei habe. Die Lagune ist wirklich wunderschön. Sie ist intensiv türkis und fast komplett von den hohen, grauen Kalksteinfelsen umschlossen. Eine perfekte Kulisse für einen Film à la „The Beach“. Oder „Die blaue Lagune“.
Aus den Booten hüpfen immer mehr Schnorchler ins Wasser. Was Schnorcheln angeht, ist die Lagune eine Nullnummer. Die Korallen sind zu 100% tot. Kein Wunder wenn tagtäglich zwei Dutzend Boote auf den Korallen ankern und deren Insassen im brusttiefen Wasser darauf spazieren gehen. Aber über dem Meeresspiegel ist die Lagune sensationell. Und da sich die wasserscheuen Filipinos sowieso nicht trauen, tiefer in die Lagune vorzuschwimmen, habe ich sie fast für mich allein!
Wir besuchen noch weitere Lagunen und Inseln mit traumhaften Stränden. Hier bietet sich exakt das Bild, das ich von den Philippinen hatte. Die typische Postkartenkulisse. Weißer Sand und sehr hohe, schlanke Kokospalmen, die sich dem Meer hin zuneigen. Unser Bootsmann grillt frischen Fisch, den wir anschließend mit großem Appetit am Strand vernichten.
Am Abend feiere ich mit einer Gruppe Skandinavier, von denen ich einige beim Tauchen kennen gelernt habe. Unser Weihnachtsmenü besteht aus Fisch, Meeresfrüchten und reichlich Rum-Coke (das ist – nach Bier – das billigste auf der Getränkekarte). Nach dem Konsum von unzähligen Longdrinks und San Miguels fangen die Schweden an, um die anderen Tische zu laufen und zu singen. Es ist eine Tradition in Schweden, Heiligabend um den Tannenbaum zu tanzen, aber auf den müssen wir heute verzichten. Die Dänen, Norweger und ich schauen uns kurz an und machen einfach mit. Für zwei Minuten haben wir den Betrieb im Lokal völlig außer Gefecht gesetzt aber man hat Nachsicht mit uns. Es ist schließlich Weihnachten!
Wir lassen den Heiligabend in einer der Strandbars zu Reggae-Musik und noch mehr Rum-Cola ausklingen.
Lagunen, Inseln, Strand und Palmen… ich kann mir keine bessere Alternative zum Weihnachtsfest zu Hause vorstellen!