Kuala Lumpur – eine unterschätzte Stadt

Ich sitze wieder im sibirisch temperierten Bus, der mich wenige Stunden später in Kuala Lumpur – oder „KL“, wie die Locals lässig sagen – ablädt. Da ist es wieder, das geliebte Großstadtfeeling. Lärm, Verkehr, Hektik, Abgase, Gestank und Menschengewusel. Und diese Hitze! KL ist eine moderne Stadt, aber längst nicht so westlich wie Singapur. Das hier ist Asien, ganz klar.img_0078

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Auch KL hat wieder das obligatorische Chinatown und Little India. Das Shoppingparadies für alle, die heiß auf spottbillige „original“ Levi’s Jeans, Nike Sneakers, Ralph Lauren Poloshirts, Casio Uhren und Piraten-DVDs sind, ist die „Petaling Street“ in Chinatown. Die Auswahl an Waren ist total verrückt, die Masse an Menschen ebenfalls.

An Little India begeistert mich vor allem der authentische night market. Wir laufen staunend an den vielen Fressständen mit den zig verlockend duftenden Kleinigkeiten vorbei, futtern uns einmal quer durch den gesamten Markt und geben vielleicht 4 Euro pro Nase aus. Was street food angeht, ist KL ein echtes Highlight.

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Dass Malaysia überwiegend muslimisch ist, sieht man späestens in hier. Moscheen und viele Bauwerke mit dem typischen kuppellartigen Türmen prägen das Stadtbild rund um das Zentrum am Merdeka Square. Der Glaube soll hier jedoch eher moderat praktiziert werden und Moscheen sowie Coca Cola, McDonalds und Shoppingmalls existieren in KL völlig gleichberechtigt nebeneinander.

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Viele Frauen tragen einen Hijab, die übrige Kleidung ist bedeckt aber modern, Jeans, Shirt und Flip Flops sind Standard. Traditionelle, alles verhüllende muslimische Kleidung  sieht man eher selten. Als allein reisender weiblicher Tourist in Shorts und T-Shirt erregt man viel weniger Aufmerksamkeit, als ich gedacht hätte, was sehr angenehm ist.

Ich komme mich mit einem Ehepaar aus Kuwait ins Gespräch. Sie trägt eine fast alles verdeckende schwarze Burka, die nur einen schmalen Schlitz für die Augen freigibt. Er trägt Polohemd und Chinos, spricht aber kaum Englisch und lässt sich von seiner Frau alles ins Arabische übersetzen. Sie kann kaum glauben, dass ich alleine reise. Als Frau! Wo denn mein Ehemann sei? Ob ich denn keine Angst ohne ihn hätte? Sehr interessant, diese völlig anderen Weltanschauungen!

Die Petronas Towers sind so etwas wie das Wahrzeichen von Kuala Lumpur und der Hauptsitz des malaysischen Mineralöl-Konzerns Petronas. Diese riesigen Zwillingstürme galten in den Jahren 1998 bis 2004 als die höchsten Gebäude der Welt. Heute sind sie immerhin noch auf Platz 6 weltweit. Die Türme sind besonders beeindruckend bei Nacht, angestrahlt von riesigen Scheinwerfern, wie zwei überdimensionale, leuchtende Kugelschreiber aus Stahl und Glas. Deren Stromrechnung möchte ich nicht sehen.

Petronas Towers, Kuala Lumpur

Mein Aussie-Roommate Yetti hat gehört, dass es irgendwo in der Nähe ein Hotel mit Rooftop-Bar gibt, von der man einen großartigen Blick auf die Türme haben soll. Straße und Name des Hotels hat er jedoch leider vergessen. Na großartig. Wir irren eine Stunde orientierungslos durch das Businessviertel Golden Triangle, aber wir finden es: Das mondäne Traders Hotel. Ob zwei abgerissene Backpacker in Flip Flops in die schicke Bar im 33. Stockwerk überhaupt reingelassen werden? Ja, Glück gehabt! Reiche, überwiegend chinesische Touristen sitzen um einen riesigen Swimmingpool herum und nippen an überteuerten Cocktails. Aber die Aussicht… besser geht’s echt nicht. Die ist uns auch das rund 8 € teure Bier wert!

Mein Fazit: Kuala Lumpur ist nicht so schlecht wie ihr Ruf. Mir gefällt dieser Mix aus Tradition und Moderne und die friedliche Koexistenz der Kulturen und Glaubensrichtungen. KL scheint eine offene und tolerante Stadt zu sein. Definitiv einen kurzen Besuch wert.