So wirbt das Department of Conservation für den begehrten Milford Track, einen der „Great Walks“ in Neuseeland. Täglich startet eine Gruppe von 40 Personen die Wanderung durch das Fjordland, die am berühmtesten neuseeländischen Fjord, dem Milford Sound endet.
4 Tage, 3 Nächte, 55 Kilometer. So lange dauert der Track, der Ende des 19. Jahrhunderts gebaut seitdem kommerziell angeboten wird. Die Begrenzung auf 40 Plätze und seine Schönheit machen den Walk so begehrt, dass man kaum eine Chance auf einen Platz hat, wenn man nicht rund ein halbes Jahr im voraus bucht.
Ich hatte Glück – es lag scheinbar eine Stornierung vor, so dass bei meiner Buchung im Dezember noch genau ein Platz übrig war – und das auch noch an meinem gewünschten Wochenende!
Eine solche Wanderung erfordert Planung und die richtige Ausrüstung. Man übernachtet in Hütten, in denen es nur die absoluten Basics gibt.
Sprich: Betten mit Plastikmatratzen, kaltes Wasser, keine Duschen, kein Strom. Man muss also Verpflegung für die gesamte Zeit mitschleppen! Das Wetter kann in allen Variationen daherkommen. Von schwüler Tropenhitze, heftigem Regen bis Schnee auf dem über 1000 Meter hohen Mackinnon Pass kann alles dabei sein.
You lucky lucky people! Sagt der Busfahrer, der uns Milford Walker zur Fähre kutschiert, die und zum Beginn des Tracks bringen soll.
Auf der Fähre kriege ich fast eine Krise, wenn ich mir meine Mitwanderer so anschaue. Ich bin weit die Jüngste! Vormittags im Hostel habe ich noch Trisha und Richard kennen gelernt, ein sehr wandererfahrenes englisches Ehepaar, das in Canberra lebt, Alter ca. 60 Jahre. In dieser Altersklasse scheinen 80% der Leute auf der Fähre zu sein. Der Rest ist irgendwie… strange. Na toll, das kann ja lustig werden!
Neben den „independent walkers“ (also uns) gibt es noch die „guided walkers“. Die vorwiegend aus Franzosen bzw. Neukaledoniern sowie Japanern bestehende Gruppe macht den Walk in 5 statt 4 Tagen und kommt in den Genuss von voll ausgestatteten Hütten mit Duschen, voller Verpflegung, kaltem Bier, heißem Kakao und kleinen Schlafräumen. Die gesamte Ausrüstung wird gestellt, ihre Rucksäcke sind lächerlich klein. Für diesen Luxus wurden den Herrschaften rund 1500 Neuseeland Dollar abgenommen. Verrückt!
Der erste Wandertag gilt eigentlich nur der Einstimmung. Ein sehr gut ausgebauter Weg führt 5 Kilometer durch einen Buchenwald, entlang des Ufers des Clinton River. Ich fasse es kaum, wie klar dieser Fluss ist. Man erkennt jeden Stein im türkisgrün schimmernden Wasser, welches jedoch eiskalt ist.
Nach diesem easy walk von einer guten Stunde erreichen die Wanderer die Hütte für die erste Nacht. Erleichtert stelle ich fest, dass alle jüngeren Leute bereits mit der früheren Fähre hergefahren wurden. Die älteren Semester sind aber teilweise wirklich supercool. Trisha und Richard treffen hier ein befreundetes Ehepaar, ganz herrliche Leute, die tatsächlich literweise Rotwein auf diesen Track mitschleppen! Meine leichten Vorbehalte gegen die 60+ Gruppe lösen sich schnell auf, denn meine Gesellschaft am ersten Abend ist unglaublich witzig und unterhaltsam.
Um 22 Uhr geht das solarbetriebene Licht aus und die meisten gehen ins Bett. So früh kann ich unmöglich schlafen! Mit ein paar Gleichgesinnten schlage ich mir draußen inmitten dieser atemberaubenden Kulisse noch eine Stunde um die Ohren. Danach stellt sich heraus, dass Ohropax eines der wichtigsten Equipment-Gegenstände auf mehrtätigen Tracks ist! Extremer Schnarcheralarm!
Am Morgen sind die eifrigsten Wanderer abartig früh wach. Ich ziehe mir die Schlafmaske tiefer ins Gesicht und versuche dies noch einige Zeit zu ignorieren. Als ich aufstehe, sind die ersten Wanderer schon aufgebrochen. Streber! Ich lasse mir Zeit und gehe tatsächlich als letzte los! Wozu die Eile?
Der Weg beginnt sehr eben und ist gut ausgebaut. So langsam wird der Regenwald immer dichter und das Gewächs wird immer seltsamer. Es ist wie ein Märchenwald – überall wachsen dichte, weiche Moose und Farne, von den Bäumen hängt diverses filigranes Moos-Zeugs herunter, das aussieht, wie grünes Haar. Rechts von mir rauscht der kristallklare Clinton River entlang. Vogelgezwischer begleitet mich. Gelegentlich macht der Wald den Blick auf die Berge frei… das ist wirklich nicht von dieser Welt!
Zusammen mit zwei Holländern mache ich Rast am Fluss. Wir stellen fest: Dies muss das Paradies sein!
Aus dem Fluss kann man bedenkenlos trinken, es fehlt nur noch dass von den Bäumen Früchte herunterhängen! Nach einiger Zeit kommen wir in ein Tal, das einen fantastischen Blick auf die uns umgebenden Berge und den Mackinnon Pass, den wir morgen bezwingen müssen, freigibt.
Dort treffen wir auf die „guided walkers“, die ich zu überhole versuche, denn ich hasse es, hinter jemandem herzulaufen! Leider ein grober Fehler, denn es geht so langsam aber stetig bergauf. Ist das anstrengend! Bald höre ich wieder das Klicken der Wanderstöcke der Neukaledonier hinter mir. Fit wie ein Turnschuh holen sie mich wieder ein. Kein Wunder bei dem nicht vorhandenen Rucksackgewicht!
Die nächsten eineinhalb Stunden sind der Killer. Die Sonne brennt herunter, und es geht immer noch bergauf, der Weg wird uneben und felsig. Der Rucksack wird mit jedem Schritt schwerer! Ich möchte das Ding einfach nur von der nächsten Brücke in den Fluss werfen! Eine wohlbeleibte Amerikanerin schnauft schwer und gesteht, auf dem Weg bereits zwei kurze Nickerchen eingelegt zu haben. Dann, endlich erreiche ich die nächste Hütte. Warum sehen meine 60+ Freunde nur so frisch aus?
An diesem Abend stelle ich mit großem Erstaunen fest: Ich bin die einzige Deutsche hier! Was für eine Quote! Neuseeland ist überschwemmt von Deutschen, mindestens 60% der Backpacker in den Hostels sind deutsch. Hier sind tatsächlich die meisten Neuseeländer, daneben Australier, Amerikaner, Israelis, Holländer, Polen, Japaner, Franzosen und meine Wenigkeit. 3 Tage mal kein deutsch sprechen – wie ungewohnt!
Vor dem dritten Tag habe ich Respekt, denn er beginnt mit einem ca. zweistündigen Aufstieg auf den Mackinnon Pass, bevor es dann den ganzen Weg ziemlich steil wieder runtergeht. Ich versuche, mir meine Kräfte gut einzuteilen und nicht den Fehler vom Vortag zu wiederholen.
Das Gelände ist recht felsig, aber es geht dennoch ganz gut, denn die Aussicht entschädigt für die Strapazen. Auf dem Gipfel sind wir dann etwas enttäuscht, denn Wolken und der Nebel versperren die angeblich spektakuläre Sicht vom höchsten Punkt des Tracks (1.154 Meter). Das ist leider fast die Regel hier, richtig klare Sicht ist ein Glücksfall.
Die nächten 8 Kilometer geht es steil und uneben runter, teilweise ist es rutschig und man muss sich wirklich konzentrieren. Meine Knöchel und Knie freuen sich!
Auf dem Weg sehen wir unzählige Wasserfälle jeglicher Höhe und Größe. Circa eine Stunde vor der nächsten Hütte gibt es einen Sidetrack zu Neuseelands höchstem Wasserfall. Wir überlegen nicht lange, auch wenn dies eineinhalb Stunden zusätzlicher Zeit bedarf. Den Wasserfall (580 Meter Höhe) hört man schon aus beträchtlicher Entfernung tosen. Was für eine Naturgewalt! Einige Unerschrockene pfeifen auf trockene Klamotten und gehen sogar hinter den Wasserfall. Die Versuchung ist groß, aber wenn ich etwas hasse, sind es nasse Schuhe! Pitschnass und in ihren Schuhen schwimmend aber total euphorisch kommen die Verrückten zurück. Verdammt! Hätte ich es vielleicht doch machen sollen? Insgesamt lief der Tag aber wesentlich besser, den trotz des anspruchsvolleren Geländes war das kühlere Wetter ein Segen.
Letzter Tag! Ich habe direkt neben einem Schnarcher gelegen, dagegen hat auch Ohropax nichts ausrichten können! Müde und zerknautscht breche ich wieder als letzte auf. Da ich aber das Boot um 14 Uhr kriegen muss, lege ich ein Affentempo hin und hole nach einiger Zeit die halbe Gruppe ein. Nach 3 Stunden bin ich fertig und brauche Pause. Ich kann keine Müsliriegel mehr sehen! Außerdem brauche ich Kaffee! Flat White! Und richtiges Essen! Sushi! Und ne Dusche! Nach einer letzten Stunde erreichen wir schließlich das Ende des Tracks – den Sandfly Point. Geschafft!
Dieser Punkt macht seinem Namen alle Ehre, denn die Quälgeister schwirren hier in Schwärmen herum. Hilfe! Die Stiche der Sandfliegen sind zu Beginn kleine rote Punkte und tun nicht weh. Aber nach zwei Tagen entzündet sich die Haut und man geht durch die Hölle. Ich kann mich jede Nacht blutig kratzen! Es hört nicht auf! Wenn es einen Zentimeter Haut gibt, der nicht durch das extrem chemische Anti-Sandfly Zeug bedeckt ist, die Drecksviecher finden ihn! Die europäischen Mücken sind ein Witz dagegen!
Müde aber glücklich lassen wir uns vom Bötchen zum Terminal am Milford Sound bringen und machen noch eine Cruise Tour durch den beeindruckenden Fjord bis zum offenen Meer. Die Gipfel der riesigen, aus dem dunklen Wasser herausragenden Felsen werden teilweise durch Wolken umhüllt, was der sehr dramatisch ausschaut. Was für ein grandioser Abschluss eines der absoluten Highlights meiner bisherigen Reise!
Melli
Toll, toll, toll, Lossi.
Diese Wanderung ist ja der Hammer. Das wirst du niemals vergessen. Ich bin sooo neidisch.
Michèle
Alex, du kleine Wander-Queen! :)
Alexandra Lossa
hahaha, ja, gerade ich!
Kathrin
Großartige Fotos!!!!!
Alexandra Lossa
Ja das war wirklich unvergesslich… morgen mache ich den nächsten Walk, diesmal an der Küste entlang! Ich werd noch ne richtige Wanderbraut!